Kompromisse sind einfach, aber verschwenderisch

Kompromisse sind einfach, aber verschwenderisch

Nach zwei Konfliktmanagement Workshops dreht sich bei mir gerade alles natürlich um das Thema Konfliktlösungen. Darum will ich Euch heute eine kurze Geschichte über eine Orange erzählen.

 

Zwei Mädchen stritten sich um eine Orange, beide wollten sie unbedingt haben und es war die letzte in der Schale. Also gingen sie zu ihrer Mutter und fragten sie, wer denn die Orange bekäme. Was hat ihre Mutter wohl getan?

 

Wenn ich diese Frage in meinen Workshops stelle, kommt an dieser Stelle immer der Vorschlag, die Mutter soll die Orange in zwei Hälften schneiden, das wäre doch ein guter Kompromiss! Ja, stimmt, es wäre ein Kompromiss – beide bekämen etwas, müssten aber auch auf die andere Hälfte verzichten und beide wären nur halb zufrieden.

 

Was tat also die Mutter? Sie zerschnitt die Orange nicht, vielmehr fragte sie beide Mädchen, wozu sie denn die Orange brauchen. Eines der Mädchen sagte, sie wolle sie auspressen und ein Glas Orangensaft machen. Das andere Mädchen war dabei einen Kuchen zu backen und brauchte die Schale, um sie in den Teig zu reiben.

 

So presste eine zunächst die gesamte Orange aus und anschließend bekam die andere die Schalen und beide haben ihren Wunsch zu 100% erfüllt bekommen. Was die Mutter tat, ist angelehnt an das Harvard Verhandlungsprinzip, viele Mediatoren arbeiten damit, wenn es um Konflikte zwischen Ehepartnern oder auch Unternehmen geht.

 

Sie hat sich nicht mit einem Kompromiss abgegeben, weil sie wusste, dass man dabei immer nur 50% gewinnt und auf 50% verzichten muss. Bei einer Kooperation (auch Zielefusion genannt) gewinnen beide bestenfalls zu 100% und keiner verliert.

 

Bevor Ihr also das nächste Mal einen Kompromiss eingeht, hinterfragt die Situation doch erstmal, ob es nicht vielleicht auch eine gute Lösung für beide gibt. Natürlich kostet das mehr Zeit und manchmal ist es nicht so einfach, weil die Stimmung womöglich schon angespannt ist. Vielleicht auch, weil wir mit Interpretationen in solche Verhandlungen gehen.

 

Vermutlich meinte die eine Tochter, dass auch die andere Tochter einen Orangensaft auspressen wollte, was denn auch sonst? Wir gehen schnell davon aus, dass unsere Sicht auch die der anderen sein muss (wir nennen das Normalitätsannahme) und die steht und schnell mal im Weg.

 

Ein Konflikt ist erstmal wie eine Einladung ein Rätsel zu lösen. Wenn wir uns dem Rätsel aus Bedürfnissen, Emotionen, Verhalten und Beziehungen widmen, können daraus wunderbare Dinge passieren. Es können neue Lösungen entstehen, die Beziehung kann sich verfestigen und Erfolgserlebnisse entstehen. Es kann aber auch nur schnell ein Kompromiss gefunden werden.

 

Ich habe mal gelesen, dass im alten China ein Kompromissvorschlag eine Art Beleidigung war, weil es dem Problem nicht den nötigen Respekt aufzeigen würde. Was für eine tolle und völlig andere Sicht auf die Kunst des Problemlösens.

 

Viel Freunde mit den Künsten,
Simon

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